75 Jahre Frequenzgerangel |
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Schon bald nach Beginn der
Radiokommunikation zeigte sich ein Problem, das bis heute nicht behoben werden
konnte - der Frequenzmangel. In den Anfangsjahren des Rundfunks
(1920er-Jahre) stand der Nutzen der Radiowellen für militärische Zwecke
und in der Schifffahrt im Vordergrund. Dabei wurden niedrige Frequenzen
bevorzugt, da sie technisch einfacher zu beherrschen waren. Selbst in den in dieser Sache
besonders aufgeschlossenen USA wurden anfänglich (Dezember 1921) nur zwei
Frequenz dem Rundfunk zugeteilt: 833 kHz (= 360 m) für Entertainment-Stationen, 619
kHz (= 485 m) für "Market & Weather"-Stationen. Im September
1922 kam noch die Frequenz 750 kHz (= 400 m) für "better quality"
Entertainment-Stationen dazu. |
Zwischen März 1922 und März 1923 stieg die Anzahl der Stationen in
den USA von 67 auf 556, wodurch mehr Frequenzen notwendig wurden. Bei der
2. Nationalen Radiokonferenz im März 1923 wurde daher der Bereich 200 bis
600 m (= 500-1500 kHz) für den Rundfunk vorgeschlagen. Im Mai 1923
erfolgte die Festlegung, wonach Rundfunkstationen zwischen
550 und 1350 kHz in einem Kanalraster von 10 kHz senden durften. Die
Sendeleistung durfte max. 1 kW betragen. Schon im November 1924 musste
wegen der rasch wachsenden Anzahl an Stationen der Rundfunkbereich bis auf
1500 kHz ausgedehnt werden. Ein Plan von 1926, das Rundfunkband bis
auf 2000 kHz zu erweitern, kam aber nicht zur Ausführung. |
Europäische
Rundfunkkonferenz Genf 1925 |
Der erste
Versuch, in Europa eine Ordnung in die rasch wachsende Anzahl an
Rundfunkstationen zu bringen, fand 1925 in Genf statt. Im
Mittelwellenbereich 500 bis 1500 kHz wurden in einem Rasten von 10 kHz 99
Kanäle festgelegt, wovon 77 exklusiv für jeweils nur einen leistungsstarken Sender
vergeben wurden, während die übrigen 20 Kanäle (in Deutsch
Gemeinschaftswellen genannt) mit 2 bis 10 Sendern geringer Leistung
(maximal 0,5 kW) belegt wurden. Die genaue Verteilung fand in einer
Konferenz im Juli 1926 in Paris statt. Der so vereinbarte "Genfer Wellenplan" trat am
14. November
1926 in Kraft und verursachte heftige Kontroversen, da
die Beschränkungen kaum Entwicklungsmöglichkeiten für das neue Medium
erlaubten. Nach einer in Brüssel 1928 vereinbarten Zwischenregelung (9 kHz
Raster unterhalb 1000 kHz, 10 kHz darüber), die am
13. Januar 1929 Gültigkeit erhielt, wurde in Prag eine modifizierte Regelung
getroffen, die am 30. Juni 1929 in Kraft trat (siehe dazu weiter unten). |
1929 waren zwar
erst etwa 100 Sender in Europa in Betrieb und die Sendeleistung war
vergleichsweise gering. Es entstanden aber laufend neue Sender. Schwächere
Sender wurden auf Gemeinschaftswellen (1929 zulässige Leistung 500 Watt)
zusammen gelegt, wodurch die ohnedies begrenzte störungsfreie Reichweite
(ca. 15 km) nachts weiter beschnitten wurde. Damit wurde ein Kreislauf in
Gang gesetzt, der erst in den letzten Jahren gestoppt werden konnte: Immer
mehr und stärkere Sender sollten die gegenseitigen Störungen vermeiden
helfen. Im Gegensatz zu den USA (siehe oben) verhinderten in Europa
egoistische nationale Bestrebungen eine sinnvolle Regelung zur Vermeidung
von Störungen. |
Rundfunksender
in Europa 1926/27 |
Internationale Rundfunkkonferenz Washington 1927 |
Bei
der ersten internationalen Rundfunkkonferenz 1927 in Washington
wurden viele Regelungen aus den USA weltweit übernommen.
Da in Europa im Gegensatz zu den USA viele Rundfunkstationen
im Langwellenbereich zu senden begannen, wurde hier ein
zusätzliches Rundfunkband vereinbart,
welches von zunächst 150 bis 224 kHz reichte. 1940 kam es zu einer
Erweiterung des Mittelwellenbandes bis auf 1600 kHz. Diese Obergrenze
wurde erst 1997 – und nur in den USA, Kanada und Mexiko – auf 1700 kHz verschoben.
Überdies wurden in Washington erstmals auf Kurzwelle 6 Rundfunkbänder
bestimmt: 14m, 17m, 19m, 25m, 31m, 49m. |
In den USA
wurde von Anfang an eine restriktivere Frequenzpolitik als in Europa
verfolgt. Die Grundlagen wurden 1928 geschaffen.
Die Leistungen der Sender wurden
jeweils so aufeinander abgestimmt, dass eine möglichst große
Reichweite aller Sender gewährleistet werden konnte. Bereits 1933 wurde ein Leistungslimit von 50 kW auf Mittelwelle
eingeführt, das bis heute Gültigkeit besitzt, wenn auch viele Stationen
über aufwändige Richtantennen zur besseren Versorgung ihres Zielgebietes
verfügen. Ab 1933 gab es
allerdings Bestrebungen, dieses Leistungslimit aufzuheben.
Insgesamt 13 Stationen trafen technische Vorbereitungen dafür. Von 2 Stationen ist bekannt, dass Sendeanlagen mit 500 kW
tatsächlich betrieben
wurden: |
- WLW "Nation's Station", Cincinnati,
Oh. von 1934 bis 1939 durchgehend und bis 1942 in den Nachtstunden.
- KDKA, Pittsburgh, Pa. unter W8XAR
vom 12. Juni 1936 bis 1. Mai 1938 während der Nachtstunden.
Da es zu erheblichen Störungen
schwächerer Stationen auf den Nachbarkanälen kam, blieb das 50 kW-Limit
letztlich erhalten. |
Beispiel einer aufwändigen Antennenanlage
einer US-Station großer Leistung: |
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WLQV in Detroit/Michigan
(1500 kHz) sendet tagsüber über 9 Masten mit 50 kW, nachts früher über 12
Masten mit 3 kW, seit 1999 nachts über 9 Masten mit 5 kW.
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Quelle: MW
Database Viewer, Neil S. Adams 1996 |
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Eine genaue Schilderung über die Entwicklung des Mittelwellenbereichs
in den USA gibt es unter:
http://earlyradiohistory.us/buildbcb.htm (Building the Broadcast Band)
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Europäische
Rundfunkkonferenz Prag 1929 |
In Folge der
heftigen Widerstände gegen die Vereinbarungen von Genf 1926 und der
ungenügenden Änderungen von Brüssel 1928 wurde der
Kanalraster geändert: Im Mittelwellenbereich wurde zwischen 500 und 1300
kHz ein 9 kHz-Frequenzraster und zwischen 1300 und 1500 kHz ein 10
kHz-Frequenzraster sowie im seit 1927 definierten Langwellenband ein
Kanalabstand zwischen 7 und 11 kHz vereinbart. Der "Prager Wellenplan"
trat am 30. Juni 1930 in Kraft. |
Rundfunksender
in Europa 1931 |
Internationale Rundfunkkonferenz Madrid 1932
und
Europäische Rundfunkkonferenz
Luzern 1933 |
Bei der Luzerner Wellenkonferenz
von 1933 gab es schon über 200 Sender in Europa. Für den gesamten
Mittelwellenbereich wurde ein 9 kHz-Frequenzraster festgelegt, auf Langwelle
blieben unterschiedliche Kanalabstände von 7 bis 9 kHz. Da die Entwicklung in Europa in Richtung weniger,
aber dafür
leistungsstarker Sender lief, versuchte man, diesen Stationen nach
Möglichkeit Exklusivfrequenzen (insgesamt 63 von 130 Kanälen) zuzuweisen. Die in der Anzahl
stark erhöhten Gemeinschaftswellen
wurden dichter belegt und die Leistungsgrenze der Sender auf 2 kW
angehoben. Der "Luzerner Wellenplan" trat am 15. Januar 1934 in Kraft. |
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Internationale Rundfunkkonferenz Kairo
1938 |
Die wesentliche Errungenschaft dieser
Konferenz war die erstmalige Festlegung von Frequenzbereichen für
Fernsehen und UKW-Rundfunk (40,5 - 58,5 MHz; 64,0 - 70,5 MHz; 85,0 - 94,0
MHz; 170,0 - 200,0 MHz). In Atlantic City 1947 wurden diese Bereiche
erweitert und sind teilweise bis heute gültig: 41,0 - 68,0 MHz; 87,5 -
100,0 MHz; 174,0 - 216,0 MHz; 470,0 - 585,0 MHz; 610,0 - 960,0 MHz. Eine
Koordinierung von Frequenzen für Europe im VHF-Bereich erfolgte auf der
Rundfunkkonferenz in Stockholm 1952. |
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Europäische Rundfunkkonferenz Montreux
1939 |
Beim 1939 in Montreux vereinbarte
Frequenzabkommen wurden 139 Kanäle koordiniert. Zu einer Umsetzung kam es
in Folge des Kriegsbeginns nicht. |
Internationale Rundfunkkonferenz
Atlantic City 1947 |
Unmittelbar nach dem Krieg musste in Folge der politischen
Folgewirkungen des Krieges für Europa eine Neuordnung
der Frequenzen erfolgen. In Konferenzen im September 1945 in
Moskau, im Oktober 1946 in Moskau und schließlich im Mai 1947
in Atlantic City/USA wurden die Senderstandorte und Leistungen
neu zugeteilt, wobei die Kriegsverlierer (Deutschland,
Österreich, Ungarn) nur wenige, schwache und ungünstige Sender
zugebilligt erhielten, um ihnen die Basis für zukünftige
Rundfunkpropaganda zu entziehen. |
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Europäische Rundfunkkonferenz Kopenhagen
1948 |
1948 fand schließlich in Kopenhagen
eine Koordinierungskonferenz statt. Der Kopenhagener Wellenplan
wurde wegen der ungerechten Zuteilungen von nur 25 von 32
teilnehmenden Ländern unterzeichnet (nicht unterzeichnet von
Österreich, Luxemburg, Schweden, Türkei, Syrien, Ägypten,
Island). Deutschland und Spanien waren überhaupt nicht vertreten.
Insgesamt wurden auf Lang- und Mittelwelle 139 Kanäle koordiniert, wovon 65 als Exklusivfrequenzen
vorgesehen waren. Der Mittelwellenbereich wurde dabei auf 1602 kHz
erweitert, wobei die letzten 9 Kanäle von 1538 bis 1602 kHz einen
Kanalabstand von 8 kHz aufwiesen. Der "Kopenhagener Wellenplan" bekam am 15. März 1950
Gültigkeit. |
Doch schon 1952 entsprachen 45% aller Sender in Europa nicht dem
Kopenhagener Wellenplan (nicht zugeteilte Frequenz, höhere Leistung). |
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Entwicklung der Anzahl der Sender und der installierten Sendeleistung
auf LW und MW je Land in Europa: |
Bedeutung des LW/MW-Rundfunks heute:
rot = ohne oder abnehmende Bedeutung,
blau = gewisse Bedeutung,
grün = große Bedeutung |
Quellen: FUNK 10.87; Funk-Post 1931; World
Radio TV Handbook, Jg. 1955, 1976, 1987, 1993, 2002, Euro-African Medium
Wave Guide 2012 |
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Internationale Rundfunkkonferenz Genf
1975 |
Die nächste Planungskonferenz zur Zuteilung
der Sender im Lang- und Mittelwellenbereich für die Weltregionen 1 und 3
(Welt außer dem amerikanischen Doppelkontinent) fand 1974/75 in Genf statt.
Mittlerweile herrschte im Lang- und Mittelwellenband in Europa schon das
pure Chaos. Sämtliche vertraglichen Nutzungsrechte waren längst überholt. |
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1974/75 wurde nicht einmal versucht, eine
Regelung zur Verbesserung der Empfangsverhältnisse zu erhalten. Vielmehr
wurde der gegebene chaotische Zustand als Basis für die völlig überzogenen
Forderungen der einzelnen Staaten betrachtet. Nahezu jedes Land erhielt
Nutzungsrechte für viele Sender mit sehr hoher Leistung zugebilligt.
Sendetechniker erkannten schon während der Konferenz den Irrsinn dieser
Politik. |
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Glücklicherweise führte der Siegeszug des
UKW-Rundfunks dazu, dass diese Pläne nur in geringem Ausmaß verwirklicht
wurden. Bei Errichtung aller 1975 geplanter LW- und MW-Sender wären nachts
nicht einmal 1000 kW-Sender weiter als 100 km störungsfrei zu empfangen
gewesen. Die gesamte Sendeleistung in der Region 1 (Europa, Nordafrika,
Nahost) wäre von insgesamt 111.625 kW auf 219.025 kW (+96%) angestiegen.
Ein einigermaßen störungsfreier Fernempfang wäre damit auf keinem einzigen
Kanal möglich gewesen. |
Der "Genfer Wellenplan" trat für die Mittelwelle am 23. November 1978 in Kraft.
Für den Langwellenbereich wurde eine gesonderte Umstellungsregelung
getroffen, da in diesem Frequenzbereich auch andere Funkdienste
Nutzungsrechte besitzen und diesen Zeit eingeräumt werden musste, ihre
Sendefrequenzen anzupassen. Die Umstellung erfolgte später und in 3
Abschnitten: 148,5 - 193,5 kHz am 1.2.1986, 193,5 - 238,5 kHz am 1.2.1988, 238,5 - 283,5 kHz am 1.2.1990 |
Bemerkenswert beim Kanalraster des Genfer
Wellenplanes 1975 ist, dass nicht nur der Kanalraster 9 kHz beträgt,
sondern dass auch alle Frequenzzahlen durch 9 teilbar sind. Diese
Festlegung erfolgte, um Interferenzen durch Überlagerung von
Nebenausstrahlungen zu verringern. |
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Steigerung der installierten Leistung auf der LW u.
MW zw. 1976 und 1992: |
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Für die Weltregion 2 (Amerikas) fand die
entsprechende Konferenz für den MW-Bereich 1981 in Rio de Janeiro statt.
In einer Folgekonferenz 1988 ebenfalls in Rio de Janeiro wurde
beschlossen, den Mittelwellenbereich in der Region 2 bis auf 1700 kHz
auszudehnen. |
Aktuelle Entwicklung und Zukunft des
Rundfunks auf Lang- und Mittelwelle |
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In den USA trachteten immer danach, möglichst
viele Sender im Mittelwellenband (Langwelle wird in den USA nicht für
Rundfunk genutzt) unterzubringen, welche sich jedoch gegenseitig
möglichst wenig stören sollten. Viele Sender mit geringer Leistung in
den USA stehen wenige Sender mit meist hoher Leistung Europa gegenüber. |
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Die durch die Überbelegung der Lang- und
Mittelwellenbereiche in Europa verursachten gegenseitigen Störungen und
die meist parallele Ausstrahlung von Programmen auch auf UKW haben die
Hörerschaft der Lang- und Mittelwelle in Europa seit den 1980er-Jahren
stark schrumpfen lassen. |
Mittlerweile hat daher der
Mittelwellenrundfunk in Europa den Rückzug angetreten. In
allen Ländern Europas ist eine praktisch lückenlose Versorgung aller
Rundfunkprogramme über UKW-Sender gegeben. In einigen
Ländern hat ein Großteil der Autoradios nicht einmal mehr
einen Mittelwellen-Empfangsteil. Vereinzelt exklusiv über Lang-
und Mittelwellensender ausgestrahlte Sonderprogramm haben zumeist
eine geringe Hörerschaft. Als große Schwierigkeit für die
Akzeptanz von AM-Rundfunk zeigt sich in Europa auch, dass die
Leute an die bessere Tonqualität des UKW-Rundfunks gewöhnt sind. In
Europa wurden im Gegensatz zu den USA kaum Versuche unternommen, die
Tonqualität der AM-Sendungen zu verbessern. |
Als eine Hoffnung für eine Wiederbelebung
der Ausstrahlungen von Rundfunk im Lang- und Mittelwellenbereich wurden
digitale Übertragungsmethoden gesehen. Damit ließen sich die
physikalischen Vorteile dieses Frequenzbereichen (große Reichweite, nur
wenige Sender für die Versorgung einer großen Region notwendig) nutzen,
ohne die bisherigen Nachteile (mangelnde Tonqualität,
Empfangsschwankungen, Störungen, Interferenzen) zu haben. Da jedoch die
Verbreitung kostengünstiger Geräte für digitalen LW/MW-Rundfunk zu lange
auf sich warten ließ, scheiterte die Digitalisierung dieser Wellenbereiche. |
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Internationale Fernmeldebehörde in
Genf, zuständig für die Zuteilung von Frequenzen:
http://www.itu.int/home/index.html |
letzte
Änderung: 24.04.2019 |