Rundfunksender in Bayern



 
Aholming, Niederbayern
Ein Nachruf
 

Bilder vom April 2012

1987/88 wurde in Aholming bei Deggendorf in Niederbayern für den "Deutschlandfunk" (DLF) ein Langwellensender errichtet, welcher den bislang mit dem DLF sehr schlecht versorgten Südosten der Bundesrepublik Deutschland abdecken sollte.
Mit Jahresende 2014 wurde die Ausstrahlung des DLF über die beiden Langwellensender Aholming und Donebach beendet. Als Gründe wurden die hohen Betriebskosten genannt, die somit in einem sehr ungünstigem Verhältnis zur geringen Hörerzahl auf Langwelle stehen. Zudem ermöglichen immer weniger Radiogeräte Langwellenempfang und zunehmend werden neue Verbreitungswege für Rundfunk (Digitalradio, Internet) genutzt.

Seit dem 1. Januar 1989 wird das Programm des "Deutschlandfunk" (DLF) über den Langwellensender in Aholming bei Deggendorf in Niederbayern ausgestrahlt. Zunächst war vorgesehen, über einen 1967 errichteten Langwellensender in Donebach im Odenwald (ca. 50 km östlich von Mannheim) den gesamten Süden der Bundesrepublik Deutschland mit dem Programm des DLF auf 151 kHz zu versorgen. Als jedoch ebenfalls 1967 der Sender Brasov in Rumänien auf 155 kHz seine Leistung von 150 kW auf 1200 kW erhöhte, war der Empfang des DLF im größten Teil Bayerns stark gestört. In weiterer Folge musste der Sender Donebach Richtung Südosten in seiner Strahlungsleistung abgeschwächt werden, um nachts Störungen des international auf 155 kHz registrierten Senders Brasov zu verringern. Donebach hatte nämlich zunächst keine internationale Registrierung und musste daher so betrieben werden, dass die registrierten Sender nicht beeinträchtigt wurden. Der Südosten der Bundesrepublik Deutschland blieb somit lange Zeit mit dem DLF-Programm schlecht versorgt.

Vorgeschichte:

Zunächst sollten zur DLF-Versorgung Bayerns vom Standort Erching in der Nähe von Hallbergmoos, ca. 20 km nordöstlich von München, erfolgen. Hier errichteten die USA 1952/53 einen Langwellensender mit 1000 kW Leistung für Sendungen der "Voice of America" nach Osteuropa auf 173 kHz. Durch Inbetriebnahme mehrere starker Sender auf der gleichen Frequenz durch die UdSSR erreichten die Sendungen ihr Ziel nicht mehr und wurden 1973 eingestellt.

Bei der internationalen Wellenkonferenz in Genf wurde 1975 ein Standort in Passau-Plattling auf 209 kHz mit 500 kW für die Nutzung durch die USA neu koordiniert. Diese überließen die Frequenz aber 1978 Deutschland. Ab 1978 wurde daher versuchsweise von Mainflingen südöstlich von Frankfurt/Main das DLF-Programm mit 15 kW auf 209 kHz gesendet.

Ab dem 4. Juli 1979 begannen die DLF-Ausstrahlungen aus Erching, was jedoch mit technischen Nachteilen verbunden war. Zunächst erlaubte es die in Erching zur Verfügung stehende Rundstrahlantenne, dass der Sender nur in der Zeit von 05.00 bis 19.00 Uhr betrieben werden konnte, da bei Nachtbetrieb die Sender Kiew/Ukraine und Azilal/Marokko auf gleicher Frequenz gestört worden wären. Zudem bestand die Anlage in Erching ausschließlich aus Bauteilen aus den USA, die diverse schaltungstechnische Eigenheiten aufwiesen und mit für Europa ungewöhnlichen Spannungen und mit 60 Hz-Wechselstrom arbeiteten. Die Stromversorgung erfolgte daher völlig autonom durch 2 je 1320 PS starke Dieselaggregate, welche täglich 4500 Liter Heizöl verbrauchten. Es gab keine Verbindung zum öffentlichen Stromnetz.

Die hohen Treibstoffkosten für die Dieselaggregate führten dazu, dass noch 1979 eine Sonderanfertigung eines Transformators bestellt wurde, um einen Anschluss an das öffentliche Stromnetz herstellen zu können. Dies war um so ärgerlicher, als von Anfang an feststand, dass der Sender an diesem Standort nicht mehr lange betrieben werden konnte. Wegen der Gleichwelle mit Kiew hätte für einen Nachtbetrieb ein Reflektormast errichtet werden müssen, was jedoch Empfangsprobleme in Südostbayern ergeben hätte. Zudem stand bereits seit 1974 fest, dass nur 4 km entfernt der neue Großflughafen München gebaut wird. Der hohe Sendemast wäre für die Flugsicherheit nicht vorteilhaft gewesen. Somit begann man 1979 auch schon mit der Suche nach einem neuen Standort, den man in Aholming etwa 10 km südlich von Deggendorf in Niederbayern fand. Die feuchte Flussniederung entlang von Isar und Donau zeichnet sich durch eine gute Bodenleitfähigkeit aus, was für einen Langwellensender eine wichtige Voraussetzung darstellt. Die Bauarbeiten begannen 1987, die Sendebetrieb wurde am 1. Januar 1989 aufgenommen. Die Anlage in Erching wurde nach Inbetriebnahme von Aholming geschlossen und die Antennenanlage abgebaut.

Anlagenverhältnisse:


Die Anlagenverhältnisse in Aholming: Links das Sendergebäude. Die Antennenanlage bestand aus 2 jeweils 265 m hohen Fachwerkmasten, die in 3 Ebenen auf 101 m (im Bild rot), 203 m und 239 m (im Bild violett) abgespannt waren. Die Achse der beiden Masten wies in Richtung 140°. Der Abstand betrug 483 m, was genau einem Drittel der Wellenlänge entspracht. Obwohl die Masten eine quadratischen Querschnitt besaßen, erfolgte die Abspannung am Umfang nur 3-fach. Die Ankerpunkte der ersten Ebene befanden sich jeweils in ca. 150 m Entfernung vom Mast, die der zweiten und dritten Ebene ca. 240 m entfernt.

Der Regelbetrieb in Aholming auf 207 kHz erfolgte tagsüber mit 500 kW und nachts mit 250 kHz. Überdies wurden nachts die beiden Masten mit einem Phasenunterschied von 117° angespeist, womit es in den Richtungen Osten bis Südwesten zu den gewünschten Signalabschwächungen kam, um die beiden Gleichkanalsender Kiew/Ukraine und Azilal/Marokko möglichst wenig zu beeinträchtigen.

Als theoretische Einzüge in der abgestrahlten Leistung wurden angegeben: 2,5 kW zwischen 72° und 88°, 130 kW zwischen 115° und 160° sowie 100 kW zwischen 160° und 230°. Diese Werte waren aber durch die Anordnung der beiden Masten schwer nachvollziehbar. Auf das übliche Schema von Antennendiagrammen umgerechnet sollte es heißen: 2,5 kW zwischen 132° und 148°, 130 kW zwischen 175° und 220° sowie 100 kW zwischen 220° und 290°.


Das Sendergebäude: Zuletzt erfolgte der Betrieb unbemannt. Der eigentliche Sender besand aus 2 identischen Einheiten von je 250 kW Leistung. 2008 wurden diese Sender erneuert (Typ: Transradio TRAM/P 500L). Der Betrieb erfolgte in dynamischer Amplitudenmodulation (DAM). Dabei wird die Amplitude des Trägersignals der Dynamik des übertragenen Signals angepasst, d.h. das Trägersignal schwankt in Abhängigkeit von der Lautstärke, womit eine beträchtliche Energieeinsparung erzielt werden kann.

Der Sendebetrieb endete in Aholming am 1. Januar 2015. In der Folge wurde die Sendtechnik demontiert. Am 29. März 2018 wurden die beiden Sendemasten gesprengt.

Die Antennenanlage:


Die beiden Sendeantennen in Aholming stellten eine relativ komplexe Konstruktion dar. Basis war ein gefalteter Monopol in Form einer Reuse (orange), der durch den Mast (violett) und so genannten Dachkapazitäten (grün) elektrisch verlängert waren .

Grundsätzlich gilt, dass ein Sendemast für die Abstrahlung auf Lang- und Mittelwelle idealerweise eine Höhe besitzen sollte, die etwas größer als die halbe Wellenlänge ist (genau ist es die 0,53-fache Wellenlänge). Damit kann der größte Teil der Sendeenergie bodennah horizontal abgestrahlt werden. Bei der Sendefrequenz von Aholming von 207 kHz würde dies jedoch eine Masthöhe von 770 m ergeben, was bautechnisch kaum zu realisieren wäre. Zwar sind für Langwellensender auch Masten mit einer Höhe eines Viertels der Wellenlänge verbreitet (was in Aholming noch immer rund 370 m wären), doch diese strahlen ihre Energie etwas steiler nach oben, womit sie eine geringere Effektivität besitzen. Speziell bei Langwellensendern ergreift man daher Maßnahmen, die eine Antenne in ihren elektrischen Eigenschaften viel höher erscheinen lassen, als sie baulich ist.

Zunächst kann die Bauhöhe praktisch verlustfrei auf die Hälfte reduziert werden, indem man den senkrechten Strahler ähnlich eines Faltdipols faltet, wobei es sogar günstig ist, diese Faltung räumlich großzügig zu gestalten, weil durch ein "dicke" Antenne die Bandbreite deutlich vergrößert werden kann. Die für AM-Ausstrahlungen erforderliche Bandbreite des Sendesignals von nominell 9 kHz bereitet im Langwellenbereich oft Probleme, da dies z.B. im gegenständlichen Fall rund 4,5% der Sendefrequenz ausmacht. Eine schlanke Antenne mit z.B. nur 5 kHz Bandbreite könnte daher nicht für das gesamte abgestrahlte Signal optimal abgestimmt werden, was erhebliche Verluste an Sendeenergie sowie hörbare Verzerrungen verursachen würde.

Ein weitere Vorteil eines gefalteten Monopols ist, dass der nicht angespeiste Schenkel geerdet werden kann (siehe dazu die Bilder weiter unten), womit ein teurer Fußpunktisolator entfallen kann und somit auch der Blitzschutz in idealer Weise gewährleistet ist.

In Aholming (und baulich gleichartig in Donebach, jedoch dort wegen der niedrigeren Frequenz um rund ein Drittel höher) wurde die Sendeenergie über 3 Seile zunächst den 3 Pardunen (= Abspannseile) der zweiten Ebene zugeführt (Mastanschlagpunkte ohne Isolatoren in 203 m Höhe). Die Verbindungspunkte der Zuführungsseile mit den Abspannseilen befanden sich jeweils 110 m von der Mastmitte entfernt. Die so entstehende Reusenantenne bildete mit dem Mast einen gefalteten Monopol (im Bild oben orange dargestellt), welcher eine gestreckte Länge von rund 500 m aufwies, was jedoch noch deutlich unter der halben Wellenlänge von 725 m lag.

Zur weiteren elektrischen Verlängerung der Antenne diente der 62 m lange Mastteil oberhalb der angespeisten 2. Abspannebene (im Bild oben violett).

Die meist verbreitete Methode zur elektrischen Verlängerung von selbst strahlenden Sendemasten erfolgte durch mit dem Sendemast verbundene radial abstehende leitende Teile, welche damit eine kapazitive Belastung darstellen, also bildlich gesprochen Strom aus dem Mast "heraus ziehen". Man nennt diese konstruktive Maßnahme Dachkapazität, da man dafür ursprünglich meist gitter- oder ringförmige Gebilde an der Mastspitze verwendete. Man fand jedoch auch häufig Teile der Abspannseile, so auch in Aholming, jedoch hier in allen 3 Ebenen (im Bild oben grün dargestellt). Damit wies die Antenne elektrische Eigenschaften auf, als wäre sie ein Mast in der Höhe etwa der Hälfte der Wellenlänge (= 725 m) gewesen, vielleicht sogar etwas mehr. Dachkapazitäten haben überdies den Vorteil, dass die Sendeantenne noch breitbandiger wird.

Die für Langwellensender ursprünglich häufig verwendete T-Antenne (z.B. Droitwich/UK oder Kalundborg/DK) beruht übrigens auf dem gleichen Prinzip. Dabei sind zwischen 2 Masten Drähte in Form eine T aufgespannt. Die eigentliche Antenne wird dabei durch den senkrecht nach oben führenden Draht gebildet, womit die Antenne die Sendeenergie rundum abstrahlt. Die beiden am oberen Ende horizontal zur Seite führenden Drähte bilden lediglich die Dachkapazität und tragen nichts zur Abstrahlcharakteristik bei.

Bemerkenswert in Aholming ist zudem, dass alle Abspannseile nur jeweils einen Isolator besaßen, womit alle Teile der Antenne statisch geerdet werden können, was die Betriebssicherheit bei Gewittern verbesserte.

Dazu passende Quellen:
FTZ Heft 4/1951, H. Graziadei. Ein neues Verfahren zur Obenspeisung von schwundmindernden Funkmasten.
FUNKSCHAU, 26/1975 u. 01/1976, DI Fritz Behne. Rundfunk-Sendeantennen im Lang-, Mittel- und Kurzwellenbereich.
DI Jürgen A. Weigl. Vertikalantennen mit Dachkapazität. http://archiv.oe5.oevsv.at/technik/antennen_dl/VertikalDachkap01.pdf
The ARRL Antenna Book, 19th Edition.
Max Rüegger. Rund um die Antenne, Praxisorientierte Antennenkunde für Funkamateure. http://www.wreiner.at/2008/05/24/rund-um-die-antenne-von-hb9acc/

Weitere Bilder:


Die Anlage von Westen gesehen. Der Berg im Hintergrund in der Mitte ist übrigens der Brotjacklriegel (Entfernung 23 km).


Die beiden Sendemasten von Süden.


Gemeinsames Abspannfundament der 2. und 3. Ebene des Nordmastes.


Der südliche Sendemast mit dem Abstimmhaus, von dessen Dach die Signalzuführung über 3 Seile zu den
Abspannseilen der 2. Ebene erfolgte.


Der nördliche Sendemast mit der Abspannung der 2. und 3. Ebene.


Die Masten stand auf einem Pendellager, war aber aufgrund der Anspeisung von oben am Mastfuß spannungslos und daher geerdet. Daher brauchte es weder eine teuren Fußpunktisolator, noch Isolatoren für die Anbauten oder Transformatoren für die Kabelzuführung der Befeuerung. Das Pendellager war aus Stahl...


...und mit den Stahlbügeln über dem Betonfundament mit den Stahlbändern des Erdnetzes verbunden.


Links ein Verbindungspunkt der Signalzuführung mit einer Pardune (= Abspannseil) der 2. Ebene, rechts ein Isolator der 1. Abspannebene.


Ein Isolator der 3. Abspannebene des Nordmastes mit Koronaringen, welche an den Isolatoren des Südmastes fehlten.


Anspeisepunkt am Dach des Abstimmgebäudes.


Gemeinsames Fundament für die 2. und 3. Abspannebene des Südmastes, dahinter der Nordmast.


Anschlagpunkte der signalzuführenden 2. Abspannebene. Darüber sieht man einen Teil der Befeuerung.


Die Anlage aus Richtung Osten. An den Zugangswegen wiesn Schilder auf das starke elektromagnetische Feld hin, welches für Menschen mit Herzschrittmacher gefährlich ist.


Der Nordmast von Süden.

letzte Änderung: 29.03.2018

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