Rundfunksender in Österreich



 
Der Sender Wien-Wilhelminenberg
(1951-1959)
Ein "radioarchäologischer" Rundgang
 

Prolog Sulzwiese
1945 wurde Wien wie Berlin in 4 Besatzungszonen geteilt. In der amerikanischen Zone (= Salzburg, Oberösterreich südlich der Donau, Teile von Wien) wurde die Rundfunkanstalt "Rot-Weiß-Rot" gegründet, die ihren Sitz in Salzburg hatte und ab 6. Juni 1945 über die Sender in Salzburg und Linz mit Ausstrahlungen begann. Am 17. November 1945 wurde auch in Wien ein eigenes Studio eingerichtet. Das Programm wurde anfänglich über einen 1 kW starken Sender auf zunächst 980 kHz, ab etwa 1948 auf 1429 kHz ausgestrahlt, der auf der Sulzwiese am Kahlenberg aufgestellt war. Hier betrieb die Deutsche Luftwaffe eine Funk- und Wetterstation, die den Krieg unbeschadet überstand.

Noch Anfang 1950 wurde ein 10 kW-Sender installiert, der auf 728 kHz betrieben wurde, ehe es die politische Lage als zweckmäßig erscheinen ließ, den Standort zu wechseln, da die Sulzwiese in der sowjetischen Zone, allerdings unmittelbar an der Grenze zur US-Zone, lag.

Kurzfristig wurde der Standort des US-Armeesenders WOFA in Wien-Grinzing mitbenützt. Von der Anlage am Schreiberweg in Grinzing sendete WOFA mit 1 kW auf 1068 kHz und dann auch "Rot-Weiß-Rot" auf 755 kHz. Angegeben wurden jedoch immer 750 kHz, weil dies genau 400 m Wellenlänge entsprach. Die Angabe der Wellenlänge war damals noch vorherrschend.

Das Programm von "Rot-Weiß-Rot" war für damalige Verhältnisse geradezu revolutionär, da viele Elemente der Radioprogrammgestaltung aus den USA zur Anwendung kamen. 1949 kamen z.B. erstmals "Disc-Jockeys" zum Einsatz.


Auf der Sulzwiese knapp 1 km westlich des Kahlenberggipfels entstand während des 2. Weltkriegs eine kleine Kaserne für eine Funk- und Wetterstation der Luftwaffe. Unmittelbar nach dem Krieg wurden die Gebäude von der US-Besatzungsmacht genutzt, aber bald aufgegeben, weil das Anwesen in der sowjetischen Besatzungszone lag.
Seit 1982 dient der Komplex den
Schönstätter Marienschwestern als Tagungs- und Gästezentrum.

Am öffentlich zugänglichen Gelände finden sich noch heute einige Fundamente der Mastabspannungen.
Wilhelminenberg

Die Amerikaner gingen Anfang der 1950er-Jahre davon aus, noch länger in Österreich als Besatzungsmacht zubringen zu können, denn man begann mit einem umfassenden Programm zur Verstärkung der Sendeleistung von "Rot-Weiß-Rot". In Wien bot das weitläufige unverbaute Gelände am Wilhelminenberg nördlich der psychiatrischen Klinik Steinhof einen guten Standort für eine große Sendeanlage. Hier entstand eine 100 kW-Sendeanlage zur Versorgung von Wien und der umliegenden sowjetischen Zone, die im August 1951 auf 755 kHz in Betrieb ging. Zunächst musste die Sendeleistung allerdings auf 20 kW begrenzt werden, da es zu Störungen von "Radio Wien" auf 584 kHz hätte kommen können. Zumindest wurde dies als ein Grund genannt. Es kann aber angenommen werden, dass man auch die Sendetätigkeit von "Rot-Weiß-Rot" behindern wollte, denn immerhin hatte das Programm in Wien eine Einschaltquote von rund 75%. Ein weiterer Grund dürfte auch gewesen sein, dass vorerst nur eine provisorische Antenne zur Verfügung stand. Die Rundstrahlung mit 100 kW hätte den Sender Timisoara in Rumänien, der für die Frequenz im Gegensatz zu "Rot-Weiß-Rot" eine offizielle Zulassung der Internationalen Fernmeldebehörde besaß, zu stark gestört. 1952 begann der Aufbau einer Antennenanlage mit 2 abgespannten Fachwerkmasten mit 122 bzw. 138 m Höhe in einem Abstand von ca. 140 m, wobei der südöstliche Mast als Reflektor diente, um das Signal in Richtung Timisoara/Rumänien abzuschwächen.

Nach dem Tod Stalins am 1. März 1953 verbesserte sich das Klima bei den schon seit Jahren laufenden Verhandlungen zur Herstellung der vollen Souveränität Österreichs entscheidend, sodass ein Ende der Anwesendheit von Besatzungstruppen abzusehen war. Schritte zur Bildung einer nationalen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt konnten gesetzt werden. Am 19. Mai 1953 wurde aus "Radio Wien" der "Österreichische Rundfunk", dem in der Folge die Sender der anderen Besatzungszonen eingegliedert wurden. Am 22. Januar 1954 kam es zur Übergabe der "Sendergruppe Alpenland" der britischen Zone an den "Österreichischen Rundfunks", am 15. März 1954 folgte die "Sendergruppe Rot-Weiß-Rot" der US-Zone, wobei allerdings der Sender Wien-Wilhelminenberg von "Rot-Weiß-Rot" noch bis zum 27. Juli 1955 eigenständige Programme senden durfte. Es gab auch Überlegungen, den Sender auf kommerzieller Basis weiter zu betreiben, was allerdings die Gesetzeslage verhinderte.


Anlageplan der ehemaligen Mittelwellen-Sendeanlage Wilhelminenberg.

Mit der Übergabe des 100 kW starken Senders Wilhelminenberg durch die US-Besatzungsmacht nach nicht einmal 3 Jahren Betrieb am 27. Juli 1955 konnte die Rundfunksversorgung des "Österreichischen Rundfunks" in Wien bedeutend verbessert werden. Am Bisamberg war lediglich eine am 15. März 1950 in Betrieb genommene provisorische Sendeanlage in Betrieb, die 35 kW Sendeleistung besaß, und in der Thaliastraße, knapp 3 km westlich des Wilhelminenbergs, stand ein von den Radiotechnikern selbst gebauter Sender, dessen Leistung 1954 mit 2 kW angegeben wurde, was nicht einmal zur Versorgung der Stadt Wien ausreichte. Deshalb wurde auch der von der britischen Besatzungsmacht übernommene Sender Schönbrunn bis Jahresende 1955 zur Versorgung der südlichen Stadtteile weiter verwendet.

Ab dem 30. Juli 1955 strahlte daher der Sender Wilhelminenberg auf 755 kHz das 2. Programm des "Österreichischen Rundfunks" aus. Der schwache Sender in der Thaliastraße auf 1475 kHz konnte damit abgeschaltet werden.

Am 6. November 1955 fand dann der letzte Frequenzwechsel im Übergang von den Besatzungssendern zum "Österreichischen Rundfunk" statt. Der 100 kW-Sender am Wilhelminenberg wechselte mit dem 2. Programm auf 584 kHz, nachdem Kronstorf auf 1025 kHz umgestimmt wurde. Da die 35 kW-Anlage am Bisamberg ein unbefriedigendes Provisorium darstellte und einem Wiederaufbau der bei Kriegsende stark beschädigten Gebäude im Wege stand, am Wilhelminenberg aber 2 Sendemasten standen, wurde am Wilhelminenberg ein zweiter neuer Sender mit 25 kW installiert und am 6. November 1955 für das 1. Programm auf 1475 kHz in Betrieb genommen. Die provisorische Anlage am Bisamberg diente noch eine Zeit lang als Reserve, ehe 1958 am Bisamberg eine neue moderne Sendeanlage entstand. Die neue Anlage am Bisamberg mit 4 je 120 kW starken Sendern ging am 17. August 1959 in Betrieb, wobei auf 584 kHz das nationale (2.) Programm und auf 1475 kHz das regionale (1.) Programm gesendet wurde.

Die nun nicht mehr benötigte Sendeanlage am Wilhelminenberg wurde abgetragen. Der 100 kW-Sender wurde zerlegt und diente als "Ersatzteillager" für den baugleichen Sender in Kronstorf. Der noch fast neue 25 kW-Sender wurde an einen der regionalen Standorte verbracht. Ein Sendemast vom Wilhelminenberg  gelangte im Pfaffenwald bei Klagenfurt [Bilder weiter unten] wieder zur Aufstellung (Gesamthöhe 126 m), wo er bis 17. November 2009 als TV-Sendeanlage für das Gebiet östlich von Klagenfurt diente. Der 2. Sendemast wurde 1962 in Mariapfarr im Lungau aufgebaut, wo er bis 1980 mit einem 5 kW-Sender auf 1025 bzw. 1026 kHz in Betrieb war. Beide Anlagen - Pfaffenwald und Mariapfarr - wurden bald nach ihrem Nutzungsende abgetragen.


Die weitläufige Parkanlage am Wilhelminenberg gehörte ursprünglich zum Gelände der psychiatrischen Krankenanstalt Steinhof. Für das Stück Land war daher auch der Begriff "Steinhofgründe" gebräuchlich. Die geplante Nutzung als Bauland wurde 1981 in einer Volksbefragung abgelehnt. Seither sind die Gründe eine städtische Parkanlage, womit auch die Reste des früheren Mittelwellensenders erhalten blieben.

Am nördlichen Eingang zur Parkanlage befinden sich die ehemaligen Sendergebäude und eine wegen der ursprünglichen Nutzung als Sendeanlage groß geratene Trafostation. Im Gebäude vorne befand sich der 25 kW-Sender für das 1. Programm.

Im hinteren Gebäude stand der 1951 errichtete 100 kW-Sender. Heute dienen die Gebäude dem Stadtgartenamt als Stützpunkt.

Fundament des westlichen Mastes.

Fundament des östlichen Mastes.

Schon arg ramponiertes Fundament einer Mastabspannung.

Die anderen 5 abgelegeneren Abspannfundamente sehen besser aus.
Sendemast Pfaffenwald
Einer der am Wilhelmimenberg abgetragenen Sendemasten kam Anfang der 1960er-Jahre in den Pfaffenwald südöstlich von Klagenfurt, wo er bis zum 17. November 2009 als Träger für Fernsehsendeantennen verwendet wurde. Am 14. und 15. September 2011 erfolgte der Abbau des Sendemastes. Die Teile wurden mittels Hubschrauber abtransportiert.

Die Gesamthöhe betrug 126 m, wobei rund 5 m der Aufsatz für die TV-Sendeantennen einnahmen.

Der Mast musste, da er nicht mehr selbst als Sendeantenne diente, auf keinem Isolator stehen, war jedoch mittig gelagert, um frei schwingen zu können. Die Abmessungen verrieten, dass es sich um ein US-Fabrikat handelte.

Die theoretische Seitenlänge des dreikantigen Mastquerschnitts betrug 46" (= 1168 mm). Die Eckprofile bestanden aus gekanteten Blechen mit einer gestreckten Breite von 1 ft (= 30,48 cm) und 1/2" (= 12,7 mm) Dicke. Die Länge der insgesamt 22 Segmente betrug je 18 ft (= 5,49 m). Die Querstreben waren genormte Winkelstähle 2" x 1-1/2" x 3/16" (= 51 x 38 x 4,8 mm)

Typisch amerikanisch die Verschraubung mit Square Head Bolts in den Dimensionen 5/8" (Querstreben) und 3/4" (Mastsegmente).
 
letzte Änderung: 25.01.2015

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