Rundfunksender in Österreich



 
Der "Großsender" Wien-Bisamberg
(1933-1945, 1950-1955, 1959-2010)
Ein Nachruf
 

Am 24. Februar 2010 ging ein bedeutendes Kapitel österreichischer Rundfunkgeschichte zu Ende. Die beiden Sendemasten am Bisamberg nördlich von Wien wurden gesprengt, womit dieser historische Standort nicht mehr für Rundfunkausstrahlungen nutzbar ist. Nachfolgend soll berichtet werden, wie es dazu kam, an dieser Stelle eine große Sendeanlage zu errichten. Die Informationen stammen hauptsächlich aus einer Sonderausgabe der Zeitschrift "Radio Wien" anlässlich der offiziellen Eröffnung der Anlage am Bisamberg am 28. Mai 1933.

In Wien begann man zunächst, über schwache Sender im inneren Stadtgebiet Rundfunk auszustrahlen. Am 30. Jänner 1926 wurde dann am Rosenhügel unweit des Schlosses Schönbrunn im Südwesten von Wien ein "Großsender" mit 7 kW Sendeleistung in Betrieb genommen. Am 8. Mai 1928 wurde die Leistung auf 15 kW erhöht, doch es zeigte sich, dass auch damit die steigenden Ansprüche hinsichtlich der Rundfunkversorgung nicht mehr erfüllt werden konnten. Rundfunk war bislang vornehmlich ein städtisches Medium. Nun begann sich aber auch die Landbevölkerung dafür zu begeistern und bildete für die private RAVAG (= RAdio Verkehrs AG) ein immer wichtigeres Kundenpotential.

Diesem internationalen Trend folgend entstanden immer mehr Großsender mit bis zu 100 kW Leistung, welche in der Lage waren, tagsüber ein Gebiet mit einem Umkreis von zumindest 100 km zufriedenstellend zu versorgen. Die traditionell sehr fortschrittliche RAVAG entschied sich daher auch, im Raum Wien einen Großsender zu errichten, was aufgrund der hoch gesteckten Ansprüche erhebliche Schwierigkeiten bereitete. Mit viel Engagement, den damals modernsten Mitteln und wissenschaftlicher Akribie wurden alle Problemstellungen analysiert.


Die Sendeanlage wenige Tage vor der Sprengung der Masten.

Standortsuche

Zuerst musste ein Standort gefunden werden, der eine Reihe von Kriterien zu erfüllen hatte.

Zunächst durfte es keine Verschlechterung des Empfangs gegenüber dem alten Standort Rosenhügel geben, d.h. es kamen nur Standorte in Frage, die nicht weiter als 25 km vom Stadtzentrum entfernt lagen. Die Wiener Innenstadt wurde ebenfalls zu einer Schutzzone mit 10 km Radius um den Stephansdom erklärt. Ebenso bestimmte man den gesamten Wienerwald wegen der dort schlechten Ausbreitungsbedingungen zu einer Schutzzone. Weiters mussten Schutzzonen mit einem Radius von 10 km um die bestehenden Funkanlagen am Laaerberg (Telegrafie-Empfangsanlage der Radio Austria AG) und am Flughafen Aspern beachtet werden.

Diese Umstände verhinderte auch eine weitere Verstärkung des bestehenden Standortes am Rosenhügel, welcher zu nahe am Wiener Zentrum, am Wienerwald und zur Funkstation am Laaerberg lag.

In den in Frage kommenden Gebieten wurde an 8 Stellen, darunter auch den potentiellen Senderstandorten Rauchenwarth südlich von Schwechat, Deutsch-Wagram östlich von Wien und der Bisamberg nördlich von Wien, ein mobiler Sender aufgestellt und die Feldstärke an vielen Stellen im Versorgungsgebiet gemessen. Bald stellte sich der Bisamberg trotz allgemein ungünstiger Lage auf einem Berg mit sandigem Boden als bester Standort heraus, da von hier auch das Hindernis Wienerwald in Richtung Westen „umstrahlt“ werden konnte.
 


Schematische Darstellung der Richtwirkung
des Bisambergsenders

Sendeversuche an 8 Standorten mit
einer Fesselballonantenne

Versuchsanlage zur Erprobung
des Richteffektes in Seyring
Entwicklungsphasen
der Antennenanlage
des Bisambergsenders

Die Antennenfrage

Der Sendeantenne wurde die größte Aufmerksamkeit geschenkt, wobei man am Bisamberg teilweise technisches Neuland betrat. Bei der Inbetriebnahme war die Anlage am Bisamberg nicht nur die erste in Europa mit einem Blaw-Knox-Sendemast, der als das damals modernste Antennenprinzip galt, sondern vermutlich auch eine der ersten Richtantennenanlagen weltweit, bei der ein Mast als Richtelement benutzt wurde.

Aufgrund der Lage Wiens sehr weit im Osten Österreichs wurde bereits am Beginn der Planungen für den "Großsender“ festgelegt, dass er eine Richtwirkung nach Westen haben musste. Von Wien bis zur Ostgrenze Österreichs sind es nur 35 km, während eine sichere Reichweite tagsüber mit 100 km angestrebt wurde. Richtantennen waren damals noch technisches Neuland. Es existierten viele Theorien, aber kaum praktische Erfahrungen darüber, welche Antennenformen geeignet waren, um eine Richtwirkung zu erzielen. Lediglich in den USA gab es einige meist abenteuerliche Antennenkonstruktionen, mit denen versucht wurde, durch Ausblendung in einer bestimmten Richtung Gleichkanalstörungen zu mindern.

Bis Anfang der 1930er-Jahre war es beim Bau von Sendeantennen üblich, entweder zwischen zwei Masten Drahtantennen aufzuhängen oder an hohen Holztürmen vertikale Drähte anzubringen. Am Bisamberg plante man zunächst, 2 (wegen der gewollten Richtwirkung) vertikale Kupferreusen zwischen 2 abgespannten Masten aufzuhängen. Wegen der Höhenverluste durch die Abspannung wurden die abgespannten Masten durch freistehende Holztürme ersetzt, womit man sie näher (auf 200 m) zusammen rücken konnte. Eine weitere Abstandsverringerung konnte erzielt werden, indem man die Reusenantennen innerhalb der beiden Holzmasten aufzuhängen gedachte. Die geringe Lebensdauer der Holzmasten befriedigte jedoch nicht.
 


Situationsplan der Sendeanlage

Luftaufnahme vom Bisamberg vom Mai 1933

1929 wurde in den USA vom Stahlbauunternehmen "Blaw-Knox“ in Blawnox bei Pittsburgh, Pennsylvania ein revolutionäres Konzept für einen selbst strahlenden Stahlmast entwickelt und in der Folge patentiert (US-Patent 1,897,373), mit dem alle vermeintlichen Probleme gelöst schienen. Diese Sendemasten standen auf einem Isolator und hatten die Form von 2 an ihrer Standfläche verbundenen und in die Länge gezogenen Pyramiden. Damit war der Mast in sich sehr stabil und musste nur an der dicksten Stelle des Mastquerschnitts etwa auf halber Masthöhe mit 4 Seilen abgespannt werden. Damals befürchtete man noch, dass zu viele Abspannseile die Abstrahlcharakteristik beeinträchtigen könnten. Bald stellte sich jedoch heraus, dass gerade die plumpe Form der Blaw-Knox-Sendemasten zu einer eher schlechten Abstrahleigenschaft beitrug, wogegen die störenden Effekte der Abspannseile durch die Anordnung und das Material der Isolatoren weitgehend beseitigt werden konnten. Damit war den Doppelpyramiden-Masten nach Blaw-Knox eine nur kurze Karriere beschieden. Bis heute gilt die Regel, dass ein möglichst schlanker in seiner gesamten Höhe gleich dicker Sendemast die beste Abstrahlcharakteristik hat - eine Erkenntnis, die übrigens schon der in den USA lebende kanadische Funkpionier Reginald Aubrey Fessenden 1902 nach Versuchen hatte, woraus ein Konzept eines selbst strahlenden Sendemastes entstand, das er 1905 zum Patent anmeldete (US-Patent 793,651) und nach dem bis heute die meisten abgespannten selbst strahlenden Sendemasten errichten wurden und werden.

Bis Mitte der 1930er-Jahre galten jedoch die Doppelpyramiden-Masten nach Blaw-Knox als das weltweit fortschrittlichste Konzept einer Sendeantenne. Diese Masten erlaubten überdies eine Anpassung der Masthöhe an die Frequenz mittels eines motorisch verstellbaren Rohres an der Mastspitze. Auch bei der RAVAG fand dieser Masttyp großen Gefallen. Einige Techniker wollten scheinbar schon beim Bau des Zwischensenders Salzburg diesen Antennentyp verwenden, doch gab es gegenüber der Verwendung von Stahl für Sendeantennen große Vorurteile. Man glaubte irrtümlich, dass für die Effektivität einer Sendeantenne Material mit hoher Leitfähigkeit, also Kupfer oder Aluminium, wichtig wäre. Dies war aber nicht nur teuer, sondern beschränkte wegen geringerer Festigkeit gegenüber Stahl auch die bauliche Verwendbarkeit.

Probleme bereitete auch die Höhe der geplanten Masten. In Wien wurde auf 580 kHz gesendet. Die Antennenhöhe sollte idealerweise etwas mehr als die halbe Wellenlänge betragen, was eine Masthöhe von rund 260 m bedeutet hätte. Diese Höhe erschien den Technikern offenbar als zu gewagt, obgleich 1932 ein - heute noch stehender - gleichartiger Mast mit 268 m Höhe für die Radiostation WSM in Nashville, Tennessee errichtet wurde.
 


  Oben: Befestigung der Seile der oberirdischen Gegen-
  gewichtsanlage am Fundament des Hauptsendemastes
  Links: Aufstellen des am Boden vormontierten Unterteil
  des Hauptsendemastes mittels einer Hilfskonstruktion

  Errichtung des Hauptsendemastes am Bisamberg
  im Winter 1932/33

Für den Bisamberg entschied man sich daher für einen Antennenmast in der Höhe eines Viertels der Wellenlänge. Die Erfahrungen darüber, wie sich ein derartiger Sendemast hinsichtlich der Wellenausbreitung verhalten würde, waren jedoch dürftig. In den USA waren bis zum Frühjahr 1932 erst 3 derartige Masten mit einer Höhe der Hälfte der Wellenlänge in Betrieb gegangen. Sendeantennen, die kürzer als die Hälfte der Wellenlänge waren, wurden damals meist als so genannte Schirmantennen ausgeführt, was aber mit einem sehr großen Platzbedarf verbunden war.

Die RAVAG errichtete daher in Seyring nordöstlich von Wien eine Versuchsanlage mit 2 je 50 m hohen Masten, welche sowohl zur Erprobung eines selbst strahlenden Antennenmastes als auch zur Ermittlung der Wirkung eines Reflektormastes diente. Der Reflektormast konnte dabei sogar im Ganzen im Abstand zum Sendemast verschoben werden. Wegen der noch immer bestehenden Bedenken gegenüber Stahlmasten als Sendeantennen war der Versuchssendemast mit Kupferblechen beschlagen. Die Versuchssendungen erfolgten auf ca. 1500 kHz, womit die Wellenlänge einem Viertel der Masthöhe entsprach. Genauso sollten die Masten am Bisamberg ein Viertel der Wellenlänge von 517 m - also rund 130 m - hoch werden.

Ein spezielles Problem am Bisamberg war die mangelhafte elektrische Leitfähigkeit des Untergrundes, welcher aus porösem Sandstein besteht und daher meist sehr trocken ist. Statt dem sonst bei Mittelwellensendern üblichem Erdnetz wurde daher oberirdische Netzwerke als elektrisches Gegengewicht gebaut. Für beide Masten bestanden getrennte Gegengewichtssysteme aus Kupferseilen auf einer Fläche von je 1800 m², die an jeweils 18 kleinen Gittermasten in ca. 3 m über Boden gespannt waren. Insgesamt wurden 13 km Kupferseile verspannt. Die Gegengewichtsanlage besaß eine Enteisungsanlage, wozu jede der beiden Anlagen in 8 Sektoren unterteilt war. Zur Enteisung, welche nur in Zeiten ohne Sendebetrieb erfolgen durfte, wurde jeder Sektor nacheinander mit 100 Volt Wechselstrom beschaltet. Die effektive Heizleistung betrug 150 kW.

Die Maste der Versuchsanlage sowie der Sendemast wurden von der Wiener Stahlbaufirma Ignaz Gridl errichtet. Der Reflektormast kam dagegen von der Waagner-Biro A.G. Die Maste wurden ziemlich genau nach dem Patent von Blaw-Knox aus den USA ausgeführt. Die je 110 Tonnen schweren Masten waren 130 m hoch, worauf später noch ein 5 m hoher Aufbau für eine verstellbare Mastspitze kommen sollte. Mittels eines ausfahrbaren Stahlrohres hätte man damit die Masthöhe optimal auf die Sendefrequenz abstimmen können. Ohne diesen Aufsatz ergab sich eine Bauhöhe von 136 m. Die Abspannung mit 4 je 80 m langen und 42 mm dicken Stahlseilen erfolgte in 61 m Höhe. Die Isolatoren der Abspannung waren aus Steatit, einer natürlichen Specksteinart mit guten mechanischen Eigenschaften.

Die Masten ruhten in einer Kugelpfanne aus Stahl, welche auf einem als Dreibein ausgeführten Isolator stand. Die maximale Überschlagspannung betrug 35 kV.

Der Bau des Sendemastes erfolgt im Winter 1932/33 unter ungünstigen Wetterbedingungen. Oftmals gab es gefrierenden Nebel, was zu Eispanzern von bis zu 20 cm Dicke führte und zur Besorgnis Anlass gab, die provisorischen Abspannungen würden wegen Überlastung reißen. Der Unterteil des Mastes wurde zunächst am Boden zusammen gebaut und dann mittels eines Hilfsgerüstes aufgezogen und auf das Fundament gestellt. Nach dem Einbau der Abspannung entstand der Oberteil schrittweise mittels Verwendung eines mit dem Mastbau hochwandernden elektrischen Auslegerdrehkranes.

Der in 115 m Entfernung positionierte Reflektormast entstand im Herbst 1933. Die Montagearbeiten durften nur in Sendepausen durchgeführt werden, da sonst Lebensgefahr durch Induktionsströme bestand.
 


Modell der fertigen Sendeanlage

Messungen im Umkreis des Senders nach der Inbetriebnahme

Die übrigen baulichen Anlagen

Für den Bau einer derartigen Sendeanlage musste damals generell ein sehr hoher baulicher Aufwand getrieben werden, da im Land kaum technische Infrastruktur vorhanden war. Zunächst musste eine Fahrstraße angelegt werden, welche auch mit schweren Lastautos befahren werden konnte. Für die Kühlung des Senders musste ein Brunnen geschaffen werden, der sich 160 Höhenmeter tiefer in der Donauebene bei Langenzersdorf befand. Von hier wurde das Wasser auf den Bisamberg gepumpt. Am Berg musste neben der Sendeeinrichtung eine komplette Energiezentrale gebaut werden, da vorerst keine Hochspannungsleitung in der Umgebung des Bisambergs existierte. Erst 1939 erfolgte der Anschluss an das Stromnetz.

Drei Dieselmotore mit zusammen 1450 PS erzeugten nicht nur den gesamten Strombedarf (max. Erzeugung 1175 kVA), sondern sorgten auch mit ihrer Abwärme für die Beheizung der Gebäude, wozu auch ein 70 m langes zweigeschossiges Gebäude an des Südseite gehört, welches Werkstätten, Büros und 13 Wohnungen für das technische Personal beinhaltete. Die Treibstofftanks fassten 60.000 Liter Rohöl, was für einen Monat Betrieb reichte. Überdies waren 1000 Liter Schmieröl gebunkert.

Ein komplexes Elektriksystem sorgte dafür, die unterschiedlichen notwendigen Spannungen bereitzustellen. Zunächst wurde der Strom aus den Aggregaten auf 35.000 Volt hochgespannt. Der Strom für den Sender wurde über 8 Doppelumformer und 2 Hochspannungsgleichrichter in Gleichstrom umgewandelt. Für die Sendeendstufen wurden 13.000 Volt benötigt. Sonst betrugen die Spannungen 40 bis 4000 Volt.

Die Bauarbeiten begannen im April 1932. Die Bestellung des Senders bei Telefunken in Berlin erfolgte schon im Oktober 1931. Dabei wurde vereinbart, möglichst viele Komponenten durch österreichische Unternehmen herstellen zu lassen, wofür Telefunken nur die Pläne bereitzustellen hatte. Lediglich die insgesamt 15 Verstärkerröhren und einige Kondensatoren kamen aus Deutschland. Die beiden Röhren der Endstufe (7. Stufe) hatten je 300 kW Leistung und waren zwecks Ausfallsicherheit doppelt vorhanden.

Die Signalzuführung von den Studios der RAVAG in der Johannesgasse zum Sender erfolgte über Kabel; bis Langenzersdorf über bereits bestehende Postkabel, ab hier über ein neu verlegtes Kabel.

Am 4. Mai 1933 wurde der Sender erstmals auf volle Leistung gebracht, jedoch an der künstlichen Antenne, sodass kein Radioempfang möglich war. Am 9. Mai 1933 ging dann erstmals ein Signal über die Antenne. Die offizielle Eröffnung erfolgte am 28. Mai 1933. Die Anlage am Rosenhügel wurde noch ein Zeit lang als Reserve bereitgehalten, ehe der dortige 15 kW-Sender 1935 modernisiert nach Linz kam.

Mit dem Inkrafttreten des Luzerner Wellenplanes musste die Frequenz am 15. Jänner 1934 geringfügig von 580 kHz auf 592 kHz geändert werden.
 


Im Senderaum

Schaltschränke und Doppelumformer

Gleichrichteraggregat

Senderstufen I und II mit Modulationsverstärker

Senderstufen III, IV und V

Senderstufe VI

Doppelt vorhandene Senderendstufe VII
mit 2 x 2 Röhren mit je 300 kW

Künstliche Antenne (links) und Zwischenkreisspulen (rechts)

Siebkreiskondensatoren im Apparateraum

Dieselaggregate in der Kraftzentrale

Generatoren mit Erregermaschinen

NS-Zeit

Am 21. Juni 1939 wurde das Rundfunkwesen Österreichs grundlegend umorganisiert. Die westlichen Sender Salzburg, Innsbruck und Dornbirn wurden an die Reichssender München und Stuttgart angeschlossen. Wien wurde ein eigener Reichssender mit den angeschlossenen Sendern Linz, Graz und Klagenfurt.

1944 erfolgte die Umstellung der Programmzuführung von Kabel auf eine drahtlose Mikrowellenverbindung im Bereich 3 GHz.

Am 6. April 1945 beendete der Reichssender Wien seinen Sendebetrieb, da wegen der Kampfhandlungen in der Stadt der Strom abgeschaltet werden musste. Die SS betrieb jedoch weiter den "Kampfsender Prinz Eugen", der Musik und Wehrmachtsberichte ausstrahlte.

Obwohl Wien schon am 5. April 1945 von sowjetischen Truppen fast vollständig umzingelt war, gelang es abziehenden SS-Truppen noch am 13. April 1945, den Sender und die Sendemasten am Bisamberg zu sprengen. Die Sprengung der Kraftzentrale kann im letzten Augenblick verhindert werden.
 

Besatzungszeit

Schon am 29. April 1945 wurde in Wien der Sendebetrieb wieder aufgenommen, jedoch standen nur ein 30 Watt starker Sender am Dach des Wiener Funkhauses sowie ein 300 Watt-Sender im TGM, einer technischen Mittelschule, zur Verfügung. Gesendet wurde vom Funkhaus auf 592 kHz, vom TGM auf 1312 kHz. Bis Ende Mai 1945 konnte die Leistung des Funkhaus-Senders auf 200 Watt, bis 31. Mai 1945 auf 500 Watt erhöht werden, was zumindest die Versorgung des Wiener Stadtgebiets ermöglichte. Bis zum Sommer 1945 konnte von den Technikern im Funkhaus aus Teilen beschädigter Militärsender ein 10 kW-Sender zusammengebaut und in Betrieb genommen werden.

Ab dem 23. Dezember 1945 wurde, zunächst nur am Wochenende, später täglich, ein 2. Programm gesendet. Dafür zum Einsatz kam ein ehemaliger 200 Watt-Militärsender am Dach des Lagerhauses der Österreichischen Tabakregie in der Thaliastraße. Dieser Standort lag kurioserweise in der französischen Besatzungszone, während "Radio Wien" allgemein unter sowjetischer Kontrolle stand, weil sich das Funkhaus in deren Besatzungszone befand. Bis Anfang 1947 konnte auch für den Standort Thaliastraße von den Sendetechnikern in Eigenregie ein 10 kW-Sender zusammengebaut werden. Gesendet wurde auf 1312 kHz, nach Gültigwerdung des Kopenhagener Wellenplanes am 15. März 1950 auf 1475 kHz, wobei die Leistung jedoch nur mehr mit 2 kW angegeben wird.

1947 wurde von der RAVAG ein 35 kW-Sender bei einem lokalen Hersteller in Auftrag gegeben, doch die Alliierten verweigerten die Betriebsgenehmigung. Erst im Dezember 1949 konnte aufgrund eines Regierungsbeschusses ein Sofortprogramm zum Verbesserung der Empfangsverhältnisse in Angriff genommen werden. Anfang 1950 wurde dazu ein provisorischer 64 m hoher abgespannter Mast mit Dachkapazität auf das Fundament des alten Sendemastes am Bisamberg gesetzt. Die Anlage ging mit Inkrafttreten des Kopenhagener Wellenplanes am 15. März 1950 auf den dort zugewiesenen 584 kHz in Betrieb. der 35 kW-Sender stand im Siegenhaus des durch die Sprengung stark beschädigten Sendergebäudes.

Unmittelbar nach Ende des 2. Weltkrieges bot die Kurzwelle eine Möglichkeit, trotz der weitgehend zerstörten Rundfunksender einen großen Teil der Bevölkerung zumindest notdürftig mit Radioprogrammen zu versorgen. Schon ab dem 11. Juni 1945 wurde das Programm von "Radio Wien" auch über zwei Kurzwellensender im 49m- und 31m-Band (Sendeleistung 150 bzw. 300 Watt) am Dach des Funkhauses ausgestrahlt. Ein dritter Sender mit 400 Watt für das 48m-Band folgte am 30. Juli 1945, und am 10. September 1945 kam ein weiterer Sender im 25m-Band dazu. Etwas später folgte noch ein fünfter Sender mit 30 Watt Leistung für das 16m-Band. Bei allen fünf Sendern handelte es sich um ehemalige U-Boot-Kurzwellensender. Nach einiger Zeit übersiedelten die Kurzwellensender vom Dach des Funkhauses auf den Bisamberg. Das weitläufige Gelände des Mittelwellen-Großsenders bot genügend Platz zur Aufstellung der Antennen, welche wegen der geringen Sendeleistung nicht sehr aufwändig sein mussten. Die Kurzwellensender wechselten 1959 nach Moosbrunn in das dort neu geschaffene Kurzwellensendezentrum.

Mit dem nahenden Abzug der Besatzungsmächte wurde in Schritten eine nationale Rundfunkanstalt gebildet. Am 19. Mai 1953 wurde aus "Radio Wien" der "Österreichische Rundfunk", dem in der Folge die Sender der anderen Besatzungszonen eingegliedert wurden, was in eineinhalb Jahren in Wien zu einer oftmaligen Änderung bei Frequenzen und Sendestandorten führte. Das 3. (UKW) Programm war bereits ab Sendebeginn am 6. September 1953 als gesamtösterreichisches Programm deklariert. Am 1. November 1953 wurde auch das 2. Programm besatzungszonenübergreifend gestaltet, zunächst allerdings nur über Sender in Wien, Graz und Klagenfurt, ab 21. Dezember 1953 auch Innsbruck ausgestrahlt.

Am 22. Januar 1954 kam es zur Übergabe der "Sendergruppe Alpenland" der britischen Zone an den "Österreichischen Rundfunks", am 15. März 1954 folgte die "Sendergruppe Rot-Weiß-Rot" der US-Zone, wobei allerdings der Sender Wien-Wilhelminenberg von "Rot-Weiß-Rot" noch bis zum 27. Juli 1955 senden durfte. Anfang Dezember 1954 wurde schließlich auch die "Sendergruppe West" der französischen Zone dem "Österreichischen Rundfunk" eingegliedert.

Die Sendeanlage Schönbrunn (566 kHz) strahlte nach Einstellung der Programme von "Alpenland" ab 23. Januar 1954 das 2. Programm aus, da der Süden Wiens durch den Sender in der Thaliastraße ohnehin ungenügend versorgt wurde. Allerdings war die Sendeleistung mit 250 Watt sehr bescheiden. Die Anlage wurde allerdings Ende Mai 1954 außer Betrieb gesetzt und umgebaut und nahm am 18. Juli 1954 mit 1,5 kW auf 520 kHz wieder den Betrieb auf.

Durch Übernahme des 100 kW starken US-Senders in Kronstorf in Oberösterreich sah man es als zweckmäßig an, die beste Frequenz dem stärksten Sender zuzuteilen. Somit kam es am 18. Juli 1954 zu einem Frequenztausch: Kronstorf wechselte mit dem 2. Programm von 773 kHz auf 584 kHz, Wien-Bisamberg von 584 kHz mit dem 1. Programm auf 566 kHz.

Mit der Übergabe des 100 kW starken Senders Wilhelminenberg durch die US-Besatzungsmacht am 27. Juli 1955 konnte die Rundfunksversorgung in Wien bedeutend verbessert werden. Bereits ab dem 30. Juli 1955 strahlte der Sender Wilhelminenberg auf 755 kHz das 2. Programm des "Österreichischen Rundfunks" aus. Der Sender in der Thaliastraße auf 1475 kHz mit seinen nur 2 kW wurde endgültig abgeschaltet.

Am 6. November 1955 fand dann der letzte Frequenzwechsel im Übergang von den Besatzungssendern zum "Österreichischen Rundfunk" statt. Der 100 kW-Sender am Wilhelminenberg wechselte mit dem 2. Programm auf 584 kHz, nachdem Kronstorf auf 1025 kHz umgestimmt wurde. Da die 35 kW-Anlage am Bisamberg ein unbefriedigendes Provisorium darstellte und einem Wiederaufbau der stark beschädigten Gebäude im Wege stand, am Wilhelminenberg aber 2 Sendemasten standen, wurde am Wilhelminenberg ein zweiter neuer Sender mit 25 kW aufgestellt und am 6. November 1955 für das 1. Programm auf 1475 kHz in Betrieb genommen. Die provisorische Anlage am Bisamberg diente noch eine Zeit lang als Reserve, ehe 1958 am Bisamberg eine neue moderne Sendeanlage entstand. Der Sender Schönbrunn auf 520 kHz wechselte am 6. November 1955 auch noch einmal vom 2. auf das 1. Programm, ehe er am 12. Dezember 1955 endgültig abgeschaltet wurde.
 

Das freie Österreich

Nach dem Abzug der Besatzungsmächte begann man umgehend mit der Planung des Wiederaufbaus einer Großsendeanlage am Bisamberg. Dabei erwies sich als vorteilhaft, dass die Amerikaner in Kronstorf eine große Richtantennenanlage mit 3 Masten gebaut hatten, welche nun weitgehend zwecklos war. Überdies gab es in Kronstorf Streit mit den früheren Grundeigentümern, welche durch die Amerikaner nur schlecht entschädigt wurden. In der zweiten Jahreshälfte 1956 begann man daher, in Kronstorf den 274 m hohen Mittelmast und den 137 m hohen Südmast zu demontieren, um die beiden später am Bisamberg wieder aufzustellen.

Für den neuen Großsender Bisamberg wurden bei Brown-Boveri 4 je 120 kW starke Sender bestellt. Das zerstörte Sendergebäude wurde in modernem Stil wieder aufgebaut und für die beiden Masten Fundamente errichtet sowie Erdnetze verlegt. Da einer der neuen Masten mit 265 m doppelt so hoch werden sollte als die Masten von 1933, musste der zweite Sendemast mit 120 m außerhalb des ursprünglichen Geländes errichtet werden. Das Erdnetz für den hohen Nordmast misst im Durchmesser 280 m und besteht aus 240 Radiale in 20 cm Tiefe. Das Erdnet des niedrigeren Südmastes misst im 240 m Durchmesser und umfasst 120 Radiale, die wegen der beabsichtigen landwirtschaftlichen Nutzung des Geländes in 50 cm Tiefe liegen.

Am 17. August 1959 nahm die neue Sendeanlage am Bisamberg ihren Betrieb auf. Der 265 m hohe Nordmast war nur für den Betrieb auf 584 kHz ausgelegt, besaß jedoch etwa in halber Masthöhe einen Trennisolator, um durch Doppeleinspeisung (d.h. Fußpunkt- und Mitteneinspeisung) die Abstrahlung für Tag- und Nachtbetrieb optimieren zu können. Insgesamt 6 unterschiedliche Abstrahlcharakteristikern waren durch die unterschiedliche Anspeisung sowie Phasenverschiebung möglich.

Bemerkenswert ist, dass die beiden Frequenzen am Bisamberg bis 1975 offiziell mit jeweils 150 kW Sendeleistung registriert waren, jedoch immer mit jeweils 240 kW gesendet wurde.

Der 120 m hohe Südmast erlaubte einen gleichzeitigen Betrieb auf 584 und 1475 kHz, wurde üblicherweise jedoch nur für 1475 kHz genutzt. Der Südmast verfügte anfänglich in 100 m Höhe ebenfalls über einen Trennisolator. Der Normalbetrieb auf 1475 kHz war mit 100 m angedacht, da bei Nutzung der vollen Masthöhe von 120 m im Vertikaldiagramm ein Nebenzipfel störende Reflexionen an der E-Schicht hervorrief, welche tagsüber zu Schwunderscheinungen führten. Nachts machte die bei voller Masthöhe gegebene steilere Abstrahlung jedoch Sinn, da zur Erzielung einer großen Reichweite ein möglichst großen Teil der Sendenergie gegen die Ionosphäre gestrahlt werden sollte.

Zusätzlich besaß der Südmast eine zweite Einspeisung für den oberen Teil von 100 bis 120 m, welche aber nur bei Simultanbetrieb auf 584 und 1475 kHz aktiviert war. In diesem Fall waren die beiden Mastsegmente auseinander geschaltet; der untere 100 m-Mastteil wurde mit 584 und 1475 kHz, der obere 20 m-Mastteil nur mit 584 kHz bespeist.

Mit dem Inkrafttreten der Rundfunkreform am 1. Jänner 1967 änderten sich die Programmbezeichnungen. "Österreich 1" kam auf 584 kHz, "Österreich Regional" auf 1475 kHz. Nach Sendeschluss von "Österreich Regional" wurde jedoch auf 1475 kHz das Nachtprogramm von "Österreich 3" ausgestrahlt.

Am 1. Mai 1975 wurde ein 600 kW-Sender von Brown Boveri am Bisamberg in Betrieb genommen, der abwechselnd auf 584 und 1475 kHz zum Einsatz kam. Dafür mussten auch an der Antennenanlage umfangreiche Umbauten durchgeführt werden. An beiden Masten wurden die Trennisolatoren entfernt und eine zusätzliche Anspeisung über je ein Koaxial-Erdkabel wurde verlegt, da weder die Trennisolatoren noch die bestehenden oberirdischen Speiseleitungen für 600 kW Leistung geeignet waren. Nun war im Bedarfsfall mit beiden Sendemasten ein Simultanbetrieb auf beiden Frequenzen möglich, wobei die 600 kW Leistung über das Koaxialkabel, die 240 kW über die oberirdische Speiseleitung übertragen wurden.

Tagsüber wurde wegen der weit reichenden Bodenwelle auf 584 kHz mit 600 kW, nachts mit 2x120 kW gesendet. Auf 1475 kHz kamen dagegen die 600 kW wegen der besseren Raumwellenausbreitung nachts zum Einsatz, während tagsüber mit 2x120 kW gesendet wurde.

Am 23. November 1978 erfolgten kleine Frequenzänderungen infolge der Änderung des Kanalrasters laut Genfer Wellenplan (584 > 585 kHz und 1475 > 1476 kHz).
 


Der 265 m hohe Nordmast

Oberirdische Speiseleitungen zum Südmast

Der 120 m hohe Südmast

Das (lange) Ende

Eines der Resultate der Genfer Wellenkonferenz von 1975 war, dass für den Bisamberg eine erhebliche Leistungssteigerung auf 1200 kW pro Frequenz zugestanden wurde. Es erfolgten zwar entsprechende Planungen für eine Modernisierung mit Ausnutzung der genehmigten Maximalleistung, die unter dem Titel "Europa-Sender" liefen, doch insgesamt war der Mittelwellenempfang in Österreich vor allem nachts in weiten Landesteilen gestört, sodass die meisten Hörer auf das schon gut ausgebaute UKW-Netz gewechselt waren. Besonders "Österreich Regional" war von den schlechten Empfangsbedingungen auf Mittelwelle betroffen, und eine Besserung war trotz Leistungssteigerung nicht zu erwarten, da auch fast alle anderen Stationen höhere Leistungen genehmigt bekamen. Deshalb wurde die Mittelwellen-Ausstrahlung von "Österreich Regional" am 5. September 1977 beendet.

Die Mittelwellensender von "Österreich 1" blieben in Betrieb und strahlten ein Mischprogramm aus, das vorwiegend aus Programmteilen von "Österreich 1" mit geringen Anteilen von "Österreich Regional" und "Österreich 3" bestand. Alle Ausbaupläne der Mittelwellensender wurden verworfen. Vom Sender Bisamberg wurde auf 585 kHz nur mehr tagsüber, auf 1476 kHz nur mehr nachts gesendet. Hauptziel der Mittelwellenausstrahlungen waren Hörer in Osteuropa.

Am 28. Juli 1982 kam es infolge von Überschlägen während eines Gewitters zu einem Senderbrand. Zur Reparatur wurde der Sender ins BBC-Werk Thurgi in der Schweiz transportiert. Am 10. Oktober 1983 nahm der reparierte Sender wieder den Betrieb auf. Anstatt der 6 Gleichrichterröhren wurden Halbleitergleichrichter eingebaut. Zur Verbesserung des Wirkungsgrades wurde eine dynamische HF-Trägersteuerung (DCC) vorgesehen. Der Wirkungsgrad konnte damit auf rund 85% gesteigert werden.

Nach dem Ende des Kommunismus in Osteuropa sank die Bedeutung der Mittelwellenausstrahlung rapide, sodass der Sendebetrieb am 1. Jänner 1995 eingestellt wurde.

Am 21. März 1997 kam es zur Wiederaufnahme der Mittelwellenausstrahlungen für das internationale Informations- und Experimentalprogramm "Radio 1476", das aus Sendungen von "Österreich 1", Volksgruppen-Sendungen, Regionalradioprogrammen sowie Eigenprogrammen in einer Experimentalzone, die von eigenständigen Redaktionen mit verschiedensten Interessen genutzt wurde, bestand. Zum Einsatz kam einer der alten 120 kW-Sender, jedoch mit verminderte Leistung von 60 kW. Gesendet wurde täglich von 18:00 bis 00:08 Uhr.

Infolge des Kosovo-Kriegs strahlte der Sender Bisamberg auf 1476 kHz ab 26. April 1999 das Programm "Radio Nachbar in Not“ aus. Am 3. Mai 1999 kam für drei Monate auch der 600 kW-Sender wieder zum Einsatz. Unter anderem wurden auch Programme des serbischen Oppositionssenders "B92" in Belgrad, der in Serbien Sendeverbot hatte, über die Anlage am Bisamberg ausgestrahlt.

Noch schien die Mittelwelle nicht ganz tot zu sein. Hoffnungen wurde in die digitale Ausstrahlungen nach dem DRM-System gesetzt, wofür auch am Bisamberg Ende 2000 ein dafür geeigneter Sender installiert wurde. Dieser Sender war voll transistorisiert und besaß eine maximale Trägerleistung von 100 kW, wurde jedoch stets nur im Analogbetrieb mit 60 kW für "Radio 1476" genutzt.

Am 1. Jänner 2009 wurde die Ausstrahlung von "Radio 1476" auf Mittelwelle beendet. Da man keine Nutzer der Mittelwellensender fand, jedoch teure Instandhaltungsarbeiten am Bisamberg anstanden, fiel der Beschluss, die Anlage endgültig stillzulegen und die Masten abzutragen. Am 24. Februar 2010 erfolgte die Sprengung der beiden Sendemasten. Das Sendergebäude mit der Kraftzentrale soll erhalten bleiben.
 


Situationsplan der Sendeanlage Bisamberg
Bilder der Anlage von 2005
 
Bildquellen: "Radio Wien", Heft 35-1933; "Radio Wien", Heft 17-1950; eigene Fotos von 2005 und 2010
letzte Änderung: 17.05.2016

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