Radiogeschichte Österreichs
 

über die sendetechnische Entwicklung des Rundfunks in Österreich.





1955 - Neubeginn

Mit dem nahenden Abzug der Besatzungsmächte wurde in Schritten eine nationale Rundfunkanstalt gebildet. Am 19. Mai 1953 wurde aus "Radio Wien" der "Österreichische Rundfunk", dem in der Folge die Sender der anderen Besatzungszonen eingegliedert wurden, was in eineinhalb Jahren in Wien zu einer oftmaligen Änderung bei Frequenzen und Sendestandorten führte. Das 3. (UKW) Programm war bereits ab Sendebeginn am 6. September 1953 als gesamtösterreichisches Programm deklariert. Am 1. November 1953 wurde auch das 2. Programm besatzungszonenübergreifend gestaltet, zunächst allerdings nur über Sender in Wien, Graz und Klagenfurt, ab 21. Dezember 1953 auch Innsbruck ausgestrahlt.

Am 22. Januar 1954 kam es zur Übergabe der "Sendergruppe Alpenland" der britischen Zone an den "Österreichischen Rundfunks", am 15. März 1954 folgte die "Sendergruppe Rot-Weiß-Rot" der US-Zone, wobei allerdings der Sender Wien-Wilhelminenberg von "Rot-Weiß-Rot" noch bis zum 27. Juli 1955 senden durfte. Anfang Dezember 1954 wurde schließlich auch die "Sendergruppe West" der französischen Zone dem "Österreichischen Rundfunk" eingegliedert.

Die Sendeanlage Schönbrunn (566 kHz) strahlte nach Einstellung der Programme von "Alpenland" ab 23. Januar 1954 das 2. Programm aus, da der Süden Wiens durch den Sender in der Thaliastraße ohnehin ungenügend versorgt wurde. Allerdings war die Sendeleistung mit 250 Watt sehr bescheiden. Die Anlage wurde allerdings Ende Mai 1954 außer Betrieb gesetzt und umgebaut und nahm am 18. Juli 1954 mit 1,5 kW auf 520 kHz wieder den Betrieb auf.

Durch Übernahme des 100 kW starken US-Senders in Kronstorf in Oberösterreich sah man es als zweckmäßig an, die beste Frequenz dem stärksten Sender zuzuteilen. Somit kam es am 18. Juli 1954 zu einem Frequenztausch: Kronstorf wechselte mit dem 2. Programm von 773 kHz auf 584 kHz, Wien-Bisamberg von 584 kHz mit dem 1. Programm auf 566 kHz.

Mit der Übergabe des 100 kW starken Senders Wilhelminenberg durch die US-Besatzungsmacht am 27. Juli 1955 konnte die Rundfunksversorgung in Wien bedeutend verbessert werden. Bereits ab dem 30. Juli 1955 strahlte der Sender Wilhelminenberg auf 755 kHz das 2. Programm des "Österreichischen Rundfunks" aus. Der Sender in der Thaliastraße auf 1475 kHz mit seinen nur 2 kW wurde endgültig abgeschaltet.

Am 6. November 1955 fand dann der letzte Frequenzwechsel im Übergang von den Besatzungssendern zum "Österreichischen Rundfunk" statt. Der 100 kW-Sender am Wilhleminenberg wechselte mit dem 2. Programm auf 584 kHz, nachdem Kronstorf auf 1025 kHz umgestimmt wurde. Da die 35 kW-Anlage am Bisamberg ein unbefriedigendes Provisorium darstellte und einem Wiederaufbau der stark beschädigten Gebäude im Wege stand, am Wilhelminenberg aber 2 Sendemasten standen, wurde am Wilhelminenberg ein zweiter neuer Sender mit 25 kW aufgestellt und am 6. November 1955 für das 1. Programm auf 1475 kHz in Betrieb genommen. Die provisorische Anlage am Bisamberg diente noch eine Zeit lang als Reserve, ehe 1958 am Bisamberg eine neue moderne Sendeanlage entstand. Der Sender Schönbrunn auf 520 kHz wechselte am 6. November 1955 auch noch einmal vom 2. auf das 1. Programm, ehe er am 12. Dezember 1955 endgültig abgeschaltet wurde.
 

Die MW-Sendeanlage am Bisamberg, nordöstlich von Wien, von der Stephaniewarte am Kahlenberg aus gesehen (Bild vom Sommer 2004). Die Masten hatten Höhen von 265 m (für 585 kHz, links) und 120 m (für 1476 kHz, rechts).
 

Die Ende 1956 in Kronstorf in Oberösterreich abgetragenen Sendemasten gelangten am Bisamberg bei Wien wieder zur Aufstellung. Es wurden vier Sender zu je 120 kW vom Hersteller "Brown Boveri & Cie." (BBC) installiert, die jeweils paarweise zum Einsatz kamen. Die neue Anlage ging am 17. August 1959 in Betrieb, wobei auf 584 kHz das nationale (2.) Programm und auf 1475 kHz das regionale (1.) Programm gesendet wurde.

Die durch die Inbetriebnahme der Sender am Bisamberg 1959 nicht mehr benötigte Sendeanlage am Wilhelminenberg wurde schließlich abgetragen. Ein Sendemast vom Wilhelminenberg gelangte im Pfannenwald bei Klagenfurt wieder zur Aufstellung (Gesamthöhe 126 m), wo er bis 17. November 2009 als TV-Sendeanlage für das Gebiet östlich von Klagenfurt diente. Der 2. Sendemast vom Wilhelminenberg wurde 1962 in Mariapfarr im Lungau aufgebaut, wo er bis 1980 mit einem 5 kW-Sender auf 1025 bzw. 1026 kHz in Betrieb war.
 

Der "Großssender" Wien-Bisamberg - Ein Nachruf
 
Der Sender Wien-Wilhelminenberg - Ein "radioarchäologischer" Rundgang
 
Über die Entwicklung des Rundfunks außerhalb Wiens berichten eigene Kapitel
 
Die Probleme der Mittelwelle
 
Die Rundfunkversorgung Österreichs auf Mittelwelle war wegen der gebirgigen Topografie ein großes Problem. Standorte in den Tälern hatten zwar oft eine günstige Bodenleitfähigkeit, die Wellenausbreitung wurde aber durch die hohen Berge behindert. Auf den Bergen wiederum war die Bodenleitfähigkeit sehr schlecht. Große Teil Österreichs führten daher funktechnisch im wahrsten Sinne des Wortes ein Schattendasein. Ab 1950 wurden daher in den von den Hauptsendern nicht oder nur unzureichend versorgten größeren Orten, speziell im Gebirge, eine große Anzahl von MW-Kleinsendern errichtet. 1969 wurde mit 189 MW-Sendern der Höchststand erreicht, wovon 151 Kleinsender mit 50 bis 200 Watt Sendeleistung waren.

Trotz eines massiven Ausbaus des MW-Sendernetzes konnte 1957 etwa ein Viertel der Bevölkerung Österreichs die Rundfunkprogramme des eigenen Landes nicht oder nur in sehr schlechter Qualität empfangen. Nachts und im Winter, wo die Raumwellenausbreitung dominiert und damit Störungen weit entfernter Stationen deutlicher auftreten, war gar nur etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung in der Lage, die österreichischen Programme gut zu empfangen. Dieser Umstand war der Hauptgrund dafür, sich künftig verstärkt dem Ausbau des UKW-Sendernetzes zu widmen. Damit begann auch schon wieder der Rückbau der MW-Kleinsender. 1969 waren es 169 MW-Sender, davon 151 Kleinsender. Bis 1976, ein Jahr vor Abschaltung der MW-Sender von Österreich-Regional ging die Zahl auf 139 Anlagen, 121 Kleinsender, zurück.

Ein weiteres Problem entstand durch den auf Mittelwelle unvermeidlichen Gleichwellenbetrieb. Speziell auf 584 kHz kam es durch ein instabiles Frequenzverhalten der Sender mit Einsetzen der Raumwelle abends in den jeweiligen Verwirrungsgebieten zu einem unangenehmen Schwebungseffekt, der sich im  "Pumpen“ des Empfangssignals mit unterschiedlicher Frequenz manifestierte. Das Gebiet um Ried im Innkreis war z.B. ein typisches Verwirrungsgebiet der beiden Sender Salzburg und Wien-Bisamberg.

Um die betreffenden Sender auf einigermaßen gleiche Frequenz zu halten und damit die Schwebungsdauer auf Minuten zu erhöhen (für den Teilnehmer auch nicht sehr befriedigend ) wurde in der sendefreien Zeit per Drahtleitung  von Wien aus zentral ein Steuerton zur Synchronisierung der Quarz-Steuerstufen übermittelt.

Nicht zuletzt durch Phasendrehungen auf diesen Leitungen war das Ergebnis nicht berühmt.

Da die BBC umfangreiche Gleichwellennetze betrieb und somit mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatte, entsandte man Sendetechniker nach Großbritannien. Die Briten erhöhten die Stabilität Ihrer betroffenen Sender, indem sie die Steuerstufen in Erdbunker versetzten, wo sie von Temperatureinflüssen weitgehend abgeschirmt waren.

Letztlich wurden für die Sender auf 584 kHz modifizierte Steuerstufen mit Rubidium-Frequenznormalen eingesetzt. Das schnelle "Pumpen“ des Empfangssignals in den Verwirrungsgebieten war zwar damit behoben, doch es kam zu längeren Perioden mit abwechselnd hoher und niedriger Feldstärke, was aber beim ohnehin unstabilen Raumwellenempfang nicht besonders auffiel.

Auf 1025 kHz war der Gleichwellenbetrieb wesentlich einfacher möglich, da die Sender auf dieser Frequenz (Graz-Dobl, Linz-Kronstort, Mariapfarr, Dornbirn-Lauterach stabiler arbeiteten. Der Steuersender auf 1025 kHz war Graz-Dobl. Die dort eingesetzte Lorenz-Gleichwellenanlage erlaubte bereits 1938 Schwebungsintervalle von bis zu einer Stunde. 1966/67 wurde sie durch eine noch genauere Anlage von Telefunken ersetzt.
 

Liste der Mittelwellensender Österreichs 1957

Die Versorgungsbereiche der Mittelwellensender für "Österreich-Regional" 1976 bei Tag (rosa) und in der Nacht (rot) zeigen, dass nur ein kleiner Teil der Landesfläche störungsfrei versorgt werden konnte. Besonders schlimm traf es nachts die Sender Linz (890 kHz) und Klagenfurt (773 kHz).
 
  Anzahl MW-Sender Gesamtleistung Reichweite bei Tag Reichweite bei Nacht
Österreich 1 65 432,8 kW 90,6% 67,7%
Österreich-Regional 105 277,7 kW 81,2% 54,6%
Reichweite der Mittelwellensender 1968
 
Liste der Mittelwellensender Österreichs 1971
 

1953 - Der Aufbau des UKW-Sendernetzes

1970-80 - Von der Mittelwelle zu UKW, Das Ende der Mittelwelle in Österreich

letzte Änderung: 13.10.2010

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